An die Schweiz

An die Schweiz

O du Schweizerland, o du Schweizerland
Mit den hohen Bergen weit und frei,
Da zuerst ich fand, eh die Jugend schwand,
Meines Herzens blühenden Liebesmai,
Land des Edelweiß, nimm dies Lied zum Preis
Wie des Älplers helle Melodei!

O du Schweizerland, o du Schweizerland
Mit den saftigen Matten schwellend grün,
Wo am Wiesenhang lockt der Herden Klang,
Wo die dunklen Blumen träumend blühn;
Deiner Anmut Reiz, hochbeglückte Schweiz,
Läßt in Wonne mir das Herz erglühn.

O du Schweizerland, o du Schweizerland
Mit den Seen tief und spiegelklar,
Die zum Silberband einst der Schöpfer wand
Um der Firnen ewigen Schneealtar;
Wo die Gemse haust, die Lawine braust
Und in Ätherhöhen kreist der Aar!

Gesammelte Werke. Dritter Band: Buch der Liebe, München 1921, S. 209.


Titel und Tonfall des Gedichts erinnern an die Ode „An mein Vaterland“ von Gottfried Keller.

An mein Vaterland

O mein Heimatland! O mein Vaterland!
Wie so innig, feurig lieb ich dich!
Schönste Ros‘, wenn jede mir verblich,
Duftest noch auf meinem öden Strand!

Als ich arm, doch froh, fremdes Land durchstrich,
Königsglanz mit deinen Bergen maß,
Thronenflitter bald ob dir vergaß:
Wie war da der Bettler stolz auf dich!

Als ich fern dir war, o Helvetia!
Faßte manchmal mich ein tiefes Leid;
Doch wie kehrte schnell es sich in Freud,
Wenn ich einen deiner Söhne sah!

O du Schweizerland, all mein Gut und Hab!
Wann dereinst mein banges Stündlein kommt
– Ob ich Schwacher dir auch nichts gefrommt –,
Nicht versage mir ein stilles Grab!

Werfe ich von mir einst mein Staubgewand,
Beten will ich dann zu Gott dem Herrn:
„Lasse strahlen deinen schönsten Stern
Nieder auf mein irdisch Vaterland!“