Aufschwung

Aufschwung

“Geben Sie Gedankenfreiheit!” (Don Carlos)

“Was ruft uns empor
Aus verdämmernden Tiefen,
Was löst uns die Ketten
Und hebt uns zum Licht?
Wir sind die Betrognen,
Die tausend Jahr schliefen,
Kein Gott kann uns retten
Mit fremdem Gericht.

Geklammert am Kreuz
Wir harrten auf Drüben,
Hochmütig vom Wahne
Gelenkt und geduckt…
Blind tappte das Leben
Im Dumpfen und Trüben –
Gleich Blitz und Orkane
Jetzt reißt es und zuckt.

Die Sehnsucht schwoll,
Und es brausen die Schwingen
Befreiten Verlangens
Gwaltig einher.
Bald werden wahrlich –
Wir wollen’s erringen –
Des folternden Bangens
Gefängnisse leer.

Der Fetisch der Furcht,
Das Licht er uns schändet,
Sein Schreckbild muß fallen
Dem klärenden Strahl,
Ihn mästet die Herrschsucht,
Der Habgier verpfändet –
Zu reineren Hallen
Erhebt sich der Mensch aus selbsteigener Wahl.”

Jugend, 15. Jahrg., Band 1, 1910, Nr. 1, S. 8. Online