Chorhymnus zur Begrüßung des Internationalen sozialistischen Arbeiterkongresses in Zürich
am 6. August 1893.
(Für Männerchor mit Orchesterbegleitung komponiert von Josef Scheu.)
Vor der Gebirge seeschimmerndem Thore,
Boten der Freiheit, wir grüßen euch hell,
Grüßen euch innig mit klingendem Chore:
Herzlich willkommen znm großen Appell!
Alle die Länder der sausenden Erde
Senden Genossen der neuen Idee,
Und ein erhaben hinbrausendes „Werde“
Schwillt in die Weite vom schimmernden See.
Heilung der leidenden Menschheit zu bringen,
Jammer zu tilgen nnd grausige Not,
Weltweit die Fahne der Freiheit zu schwingen,
Quellende Kraft, die euch feurig durchloht.
Wunderbar wirken die neuen Gedanken,
Herzen und Häupter durchzittert ihr Strahl:
Seit von dem Weine der Wahrheit wir tranken,
Schwenken wir jauchzend der Zukunft Pokal.
Seht doch! Die Augen der Welt sind gerichtet,
Brüder, auf euren versammelten Rat!
Klug sei der Zwiespalt gebannt und geschlichtet,
Laut triumphiere die Eintracht der That!
Mögen auch Meinungen kreuzen und kämpfen,
Eins sei der tagenden Arbeit Gebot!
Würde soll jeglichen Brudergroll dämpfen,
Alles vermählt sich im blühenden Rot.
Heil euch, verbrüderte Kämpfer des Neuen,
Hoch von den Firnen her leuchtet sie schon,
Unser Geschlecht noch soll sie erfreuen,
Segenausstrahlend die Revolution.
Näher und näher schon schreitet die Stunde,
Die der Gerechtigkeit Antlitz enthüllt,
Diese zerrüttete Welt geht zu Grunde,
Eh‘ das Jahrhundert der Not sich erfüllt.
Zu der Gebirge seeschimmerndem Thore,
Schön zu gestalten, was häßlich und wüst,
Seid ihr gekommen in stattlichem Chore,
Liebe Genossen, seid festlich gegrüßt!
Seht, wie sie winken, unzählbare Tausend,
Uns’re Millionen, vom Südmeer zum Schnee!
Ueber die Erde hin wälzen sich brausend
Blitzende Wogen der neuen Idee.
Zwischenspiel, Zürich 1894, S. 54-56. Online
Vgl. Der Grütlianer, 42. Jahrg., 29. Juli 1893, Nr. 86, S. 2. Online