Lisette

1885

Lisette

Lisette hiess die kleine Fee,
Lisette hiess die Süsse,
Ihr Nacken glänzte weiss wie Schnee,
Doch weisser ihre Füsse.

Sie bot dir willig Gruss und Kuss
Und koste gern verwegen,
Lisette schwärmte für Genuss
Und sucht‘ ihn allerwegen.

Im Lenze schwillt die Knospe auf,
Im Sommer blüht der Flieder,
Im Winter fällt ein Frost darauf,
Da sinkt die Blüthe nieder.

Lisette hiess die kleine Fee.
Lisette hiess die Süsse…
Jetzt harrt sie in der Charité,
Dass sie den Tod begrüsse.

1902

Lisette

Lisette hiess die kleine Fee,
Lisette hiess die Süsse,
Ihr Nacken glänzte weiss wie Schnee,
Doch weisser ihre Füsse.

Sie bot dir willig Gruss und Kuss
Und koste gern verwegen,
Lisette schwärmte für Genuss
Und ward nicht leicht verlegen.

Im Maien schwillt die Knospe schnell,
Im Juni blüht die Rose,
Jäh kommt der Herbst, der Rauhgesell,
Mit garstigem Gekose…

Lisette hiess die kleine Fee.
Lisette hiess die Süsse.
Jetzt harrt sie in der Charité,
Mit siechem Leib in Pein und Weh,
Dass sie der Tod begrüsse.

Poetisches Skizzenbuch, Minden i. Westf. 1885, S. 78. Online
Aus meinen Gedichten, Zürich, Leipzig, Berlin 1902, S. 9. Online