Prolog

Prolog

zur Feier des 25jährigen Todestages Ferdinand Lassalle’s.

Er ist nicht todt, der heute ruft. Er lebt.
Der frische Muth, der uns’re Brust durchbebt,
Der Stolz der Arbeit, uns’rer Eintracht Wall,
Er lebt, er athmet – Ferdinand Lassalle!
Er redet – hört! Blank zieht er seine Worte.
Ein Kolbenschlag – auf springt der Zukunft Pforte.

Er predigt Gluth, und rastlos wallt der Brand
Der neuen Botschaft durch der Arbeit Land.
Zwei Jahre nur! Zwei Jahre nur der That
Für uns – gebrochen war der Freiheit Pfad.
Auf seines Führers Spur in sich’ren Säulen
Vordrang das Volk mit seiner Schlagkrast Keulen.

Wir denken deiner, kühner Volkstribun,
Nicht, um beim Kranzeswinden auszuruh’n.
Nicht, um dein Ich anbetend zu vergöttern
Und deinen Ruhm in’s Schmeichelhorn zu schmettern,
Nicht faul zu feiern, prahlend müss’ger Troß,
Wir denken kämpfend deiner, Kampfgenoß!

An Wissen reich, gesättigt mit Genie,
Begriffst du, wie das Recht nach Geltung schrie.
Der Leidenschaften schönster Katarakt,
Die Sturzfluth der Idee hat dich gepackt,
Und sturmkeck schreitend durch Gewalt und Lüge,
Rangst du das Recht der jungen Macht zum Siege.

Du fielst abseits. Für uns dein Werk-fiel nicht,
Weltdrama ward dein Nationalgedicht.
Und keine Grenze kennt, so ruft Paris,
Die Zeitenwende, die dein Mund verhieß.
Die Säemänner, die zusammenkamen,
Von Land zu Land ausstreuen sie den Samen.

Verfolgter! Du hast glänzend dich gewehrt,
Triumph war deinen Strafen selbst bescheert.
Zerquetscht von gold’nen Mastodontentritten
Heut‘ leiden tausend mehr, denn du gelitten,
Und keine Rede, wie der Donner hallt,
Zermalmt den unglücklsel’gen Staatsanwalt.

Lassalle! Die Zahl, die du begehrt, ist voll,
Von Herd zu Herde glimmt des Volkes Groll.
Breit schwillt die Macht der Streiter im Gefecht,
Das Unrecht bebt, ernst rüstet sich das Recht,
Mit Würde die Entscheidung zu gewinnen
Und des Programms Vollendung zu beginnen.

Diorama, Zürich 1890, S. 255-256. Online