Prometheus

1888

Prometheus

Prometheus an dem Felsen hing.
Sein Fleisch zerfetzt der Eisenring.

Der Adler aus dem Aether kreist,
Ein Stück aus wunder Leber reisst.

Den Leib durchkrampft ein Höllenschmerz,
Prometheus leidet himmelwärts.

Es wolkt der Trotz, es blitzt der Hohn:
„Du Kronenräuber auf dem Thron!“

Es wolkt der Hohn, es blitzt der Trotz:
„Ich lache des allmächt’gen Gotts.

Da drunten in der Menschen Hut
Wie wallt, wie wächst die heil’ge Glut!

Wie leckt aus dem vervehmten Pfuhl
Sie schon empor zu deinem Stuhl!

Die Flamme hungert, lodert, lechzt,
Das Gold zerschmilzt, der Sessel ächzt.

Der ganze Krempel, kracht entzwei —
Die Ketten sinken — ich bin frei!“

1902

Prometheus

Prometheus an dem Felsen hing.
Sein Fleisch zerfetzt der Eisenring.

Der Adler aus dem Aether kreist,
Ein Stück aus wunder Leber reisst.

Den Leib durchkrampft ein Höllenschmerz,
Prometheus leidet himmelwärts.

Es wolkt sein Trotz, es blitzt sein Hohn:
„Du Kronenräuber auf dem Thron!“

Es wolkt sein Hohn, es blitzt sein Trotz:
„Ich lache des allmächtigen Gotts.

Da drunten in der Menschen Hut
Wie wallt, wie wächst die heilige Glut!

Wie leckt aus dem vervehmten Pfuhl
Sie schon empor zu deinem Stuhl!

Die Flamme hungert, lodert, lechzt,
Das Gold zerschmilzt, der Sessel ächzt.

Dein Thron, du Qualgott, kracht entzwei —
Prometheus — Menscheit, werde frei!“

1903

Prometheus

Prometheus an dem Felsen hing.
sein Fleisch zerfetzt der Eisenring.

Der Adler aus dem Äther kreist,
ein Stück aus wunder Leber reisst.

Den Leib durchkrampft ein Titanenschmerz,
Prometheus reckt sich himmelwärts.

Es wolkt sein Trotz, es blitzt sein Hohn:
„Du Weihrauchsauger auf dem Thron!“

Es wolkt sein Hohn, es blitzt sein Trotz:
„Ich lache des Schmarotzergotts.

Da drunten in der Menschen Hut
Wie wallt, wie wächst die heilige Glut!

Wie leckt aus dem vervehmten Pfuhl
Sie schon empor zu deinem Stuhl!

Die Flamme hungert, lodert, lechzt,
Das Gold zerschmilzt, der Sessel ächzt.

Dein morsches Faulbett bricht entzwei —
Sieg, Feuer, Sieg! O mensch, sei frei!“

Amselrufe. Neue Strophen, Zürich 1888. S. 48. Online
Aus meinen Gedichten, 1902, S. 6.
Neuland, Leipzig und Berlin 1903. S. 42-43